Kinder zum Olymp!

Kongress im Düsseldorfer Schauspielhaus

27. April, Düsseldorf – Ich bin freudig erregt und sehr gespannt: mein erster olympischer Kongress! Was mich bei dieser Leuchtturm-Veranstaltung wohl erwartet? Zunächst einmal ein paar bekannte Gesichter: meine Kommilitonin Beate, außerdem eine Handvoll KuBi-Studierende der ersten Generation und unser Dozent Christian Kammler. Eine wunderbare Gelegenheit sich auszutauschen und besser kennenzulernen.

Den Auftakt macht Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, mit einem kämpferischen Vortrag zum Kongressthema „Kulturelle Bildung im Kontext globaler Prozesse“. Unmöglich, seine Gedanken auch nur ansatzweise wieder zu geben. Ein zentraler Satz ist besonders hängengeblieben:

In den Foren gibt es dann Gelegenheit zum Austausch mit Organisatoren ausgewählter Projekte. Besonders beeindruckt haben mich die Berichte der Vertreterinnen von Multaka einem Berliner Museumsprojekt, das zu Recht große mediale Aufmerksamkeit bekommt: in den Staatlichen Museen zu Berlin und im Deutschen Historischen Museum werden Geflüchtete zu Guides ausgebildet, die Besuchern – anderen Geflüchteten aber auch allen anderen – einen gänzlich anderen Zugang zu den Exponaten anbieten als den Eurozentristischen, den man üblicherweise gewohnt ist.

Dies ist umso interessanter, da es sich bei vielen Ausstellungsstücken um Dinge handelt, die aus fremden Kulturen – auf welche Weise auch immer – den Weg in deutsche Museen gefunden haben. Allein diese Tatsache ruft natürlich bereits (kontroverse) Fragen hervor. Etwa die, wem denn diese Kulturgüter überhaupt „gehören“. Das Projekt ist in jeder Hinsicht ein Erfolg: In erster Linie erfreut es sich eines großen Interesses (Besucherzahlen) und erreicht gerade auch die Besuchergruppe der Geflüchteten und Bürger mit Migrationshintergrund. Die Führungen stoßen einen interkultureller Austausch an, der nicht immer konfliktfrei, in der Regel aber dennoch konstruktiv verläuft, …… Durch die gute Kooperation verschiedener staatlicher und kultureller Institutionen steht das Projekt (nach einigen Anlaufschwierigkeiten) auf soliden organisatorischen und finanziellen Füßen. Die Guides arbeiten inzwischen auf Angestelltenbasis haben also eine berufliche Perspektive.

Es gäbe viel über diese inzwischen fest in den Museumsprogrammen implementierte Initiative zu schreiben. Entscheidend scheint mir jedoch ein Aspekt zu sein, der nach Aussage der Projektmitarbeiterin Mariam Bachich, auch für deren Erfolg verantwortlich ist: es ist kein Projekt für Geflüchtete, sondern eines von Geflüchteten (tatsächlich ging die Initiative von Geflüchteten aus). Hier erklärt man nicht Menschen anderer kultureller die Welt (so wie wir sie sehen), sondern es wird ein Dialog über … angeregt …. Dies ist die Basis für ein gegenseitiges Verständnis der jeweils anderen Kultur auf Augenhöhe. Man kann das als revolutionär bezeichnen – sowohl im Hinblick auf das Verständnis von ….. und daraus resultierend die Museumspädagogik allgemein als auch auf den Umgang mit Bürgern anderer kultureller Herkunft sowie Fragen der Integration. So geht „Kulturelle Bildung im Spannungsfeld globaler Prozesse“! Mein ich.

Andere Kulturinstitutionen, etwa das Museum Kunstpalast in Düsseldorf, welches wir im Laufe des Tages besuchen, verfolgen mit interkulturellen Projekten übrigens ähnliche Ansätze.

Bildunterschrift Schreibmaschine:

Mounir Fatmi  Impossible Union (2011), Museum Kunstpalast in Düsseldorf

Die Zusammenführung dreier Kulturen in den Gedanken des Betrachters ….

Nach zweitägigem Diskursivverhalten und kollektivem Schulterklopfen werde ich bei der Experten-Abschlußrunde dann noch einmal durch den emphatischen Stoßseufzer von Hortensia Völckers, aufgerüttelt: man mache ja viel – aber ach, es versickert doch alles irgendwie! Da hat sie sich auch schon wieder im Griff und man wechselt das Thema. Dabei finde ich einen solchen kurzzeitigen Kontrollverlust der künstlerischen Direktorin der Kulturstiftung des Bundes doch beachtenswert. Kurz darauf fragt Podiumsleiterin Nanette Snoep ketzerisch, wo eigentlich die ganzen Geflüchteten seien, über die wir hier die ganze Zeit reden: „Die sogenannte Diversität spiegelt sich in diesem Raum nicht wieder“, so ihre treffende Analyse. Der Schlußappell gehört Muchtar Al Ghusein, der mit Blick auf die strukturelle Selbstausbeutung der Akteure Kultureller Bildung in den Saal ruft: „Wir sind alle viel zu nett! Die Stärke der Kulturellen Bildung wird sich zeigen, wenn wir alle in den Generalstreik gehen!“

Das klingt wie Donnerhall in meinen Ohren als ich – nun etwas benommen – das Düsseldorfer Schauspielhaus verlasse. Soll ich nun in den Streik gehen? Das Thema der (Selbst-) Ausbeutung in der Kulturellen Bildung halte ich für wichtig und drängend. Prekäre Arbeitsverhältnisse, perspektivlose Projektarbeit, schlechte Bezahlung, überbordende Ausnutzung von Ehrenamtsengagement – die Liste der skandalösen und existenzbedrohenden …  ist lang. Aber wann und wo kommt das auf die Agenda? Wo bleibt der enrstzunehmende Versuch hier kollektiv etwas zu ändern? Sicher, es ist eine Herkulesaufgabe …

Vor allem frage ich mich zum widerholten Male: ist das die übliche Kongress-Dramaturgie? Spart man sich die Klopper für den letzten Moment auf? Nach dem Motto, gut, dass wir es mal ausgesprochen haben. Aber leider ist jetzt keine Zeit mehr, darüber zu dikutieren…